Waldduft - Pur und echt

Fichtennadeln Picea abies

Es ist mir eine besondere Freude, dass ich dich hier begrüßen darf. In diesem Bericht findest du Informationen über

  • die Duftstoffe des Waldes
  • den Ursprung der Kiefernadeldüfte

Viele Menschen schätzen die besonders frische Luft im Wald. Auch mich zieht es immer wieder in das dunkle Grün hinein. Noch bevor ich in das Reich der Laub- und Nadelbäume eintrete, kommen mir schon erdig-moosige Duftfahnen entgegen. Mit jedem Schritt in die grüne Waldatmosphäre hinein, streichen balsamische Gerüche an meiner Nase vorbei. Frische Düfte durchzogen von harzigen Kiefernaromen. Man möchte nur zu gerne dem Duft hinterher-schnuppern. Aber schon ist er weg - der begehrte Waldduft -  nur um Sekunden später in einer anderen Duftvariation wieder aufzutauchen. Komm mit mir einfach mit und spüren wir den Duftwolken etwas nach.

Die feinen Duftaerosole auf Wald und Flur sind unglaublich vielfältig. Mal duften große Bäume herrlich nadelig, mal duften Pflanzen betörend blumig. Wie etwa das Wald-Geißblatt Lonicera pericyclum. Es verströmt seinen blumigen Duft sehr überschwänglich, vor allem abends. Ab und zu mischen sich die Düfte des Schwarzen Holunders Sambucus nigra oder des Weißdorns Crataegus laevigata unter. Das sind die kleineren Gesellen des Waldes. Laub- und Nadelbäume sind die beeindruckenden Herrscher im grünen Forst. Ihre wahre Größe tragen sie in schwindelerregenden Höhen aus. Am Beispiel der Kieferngewächse wie etwa der Weißtanne Abies alba oder der Waldkiefer Pinus sylvestris zeigt sich, wie schwer es ist, eine Duftkostprobe der erwachsenen Kiefern zu ergattern. Denn ihren typisch harzig-nadeligen Duft verströmen sie größtenteils über ihr Nadelwerk. Doch im Lauf ihrer Wachstumsjahre nehmen sie ihre Äste und Zweige in die für uns unerreichbaren Höhen nach oben mit. Riechen können wir das gesamte Duftbukett der Nadelbäume trotzdem, auch wenn wir kleinen Leute im Vergleich zu den gigantischen Holzriesen unsere Nasen sehr bodennah in die Waldluft strecken. Wie kommt man trotzdem an einen typischen Waldduft heran?

Bäume, wie übrigens alle Pflanzen (auch die Kräuter, Blumen und Sträucher in unseren Gärten) enthalten Duftstoffe. Die einen mehr, die anderen weniger. Jede Pflanzenart hat hier ihren ganz eigenen Charakter. Manchmal umgeben sie sich mit einem sehr aromatischen Hauch wie beispielsweise der Lavendel Lavandula angustifolia, der uns schon von weitem entgegeduftet. Andere wiederum sind kaum riechbar. Erst beim Aufbrechen von Zellstrukturen wie etwa einem Nadelzweig verströmt sich der nadelige Duft. Die Duftstoffe entwickeln sich in verschiedenen Pflanzenstrukturen und bleiben dort als kleinste Öltröpfchen abgespeichert. In der Aromatherapie nennt man diese kleinen Öltröpfchen Ätherisches Öl. Die aromatischen Duftstoffe kommen in unterschiedlichen Pflanzenteilen vor wie beispielsweise in Wurzeln (wie Ingwer Zingiber officinalis), Blättern (wie Lorbeer Laurus nobilis), Blüten (wie Rose Rosa damascena) oder Kiefernadeln (wie Weißtanne Abies alba, Fichte Picea abies und Kiefer Pinus sylvestris).
Pflanzen lagern ihre aromatischen Duftöle in unterschiedlichen Zellstrukturen ein. Je nach Pflanzenart lagern die Ätherischen Öltröpfchen in besonders abgegrenzten Ölbehältern wie Ölzellen, Ölgängen oder Drüsen. Die Düfte der Fichte Picea abies, Kiefer Pinus sylvestris oder Weißtanne Abies alba befinden sich vorwiegend in Hohlräumen, die zwischen benachbarten Zellstrukturen entstehen. In sogenannten Ölgängen bleiben die Ätherischen Duftöle abgespeichert. Eine leicht zu habende Kostprobe kann oft von Fichten Picea abies abgenommen werden, da ihre Äste bis auf den Boden reichen. Nimme eine Nadel ab und zerbreche sie in zwei Teile. Nun halte beide Nadelteile dicht an deine Nase und atme den Duft der Fichte Picea abies tief ein. Du hast im Moment des Zerbrechens der Fichtennadel die Ölbehälter freigelegt. Die Ätherischen Duftessenzen entströmen sofort aus ihren Behältern. Wenn man die Nadeln erst zerbrechen muss, damit man an den typischen Waldduft herankommt, legt es schon die Frage nahe, warum manche Pflanzen ihre Duftstoffe so kompakt einlagern?

Die Anwort darauf ist für die Pflanze von äußerster Wichtigkeit. Die Ätherische flüchtige Essenz - pur und echt - stellt für die Pflanze ein Zellgift dar. Damit sich die Pflanze nicht selbst schädigt, muss das Ätherische Öl in einer für die Pflanze ungefährlichen Art und Weise gut beschützt aufbewahrt werden. Das erinnert mich an den im Pflegebereich eingesetzten  "Giftschrank". Dort werden wichtige aber auch besonders gefährliche Medikamente mit höchsten Sicherheitsanordnungen gut verschlossen verwahrt. Das hat seinen Grund. Der Einsatz der Medikamente soll gezielt und in sicherer Art und Weise erfolgen.

So scheint die Pflanzenwelt ebenfalls unterwegs zu sein. Es muss klar sein, wann und zu welchem Zweck Pflanzen aromatische Duftstoffe in die Aussenwelt abgeben. Sieht aus, als hätten Pflanzen einen Plan. Wie dieser Plan aussieht, werde ich im nächsten Bericht beschreiben.

Bis dahin wünsche ich dir viele genussvolle Dufterlebnisse im Wald, wenn du die Möglichkeit dazu hast.

Waldig duftende Grüße

Birgit

 

Literatur
Ursel Bühring - Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde (2011/S.103-104)
Dietrich Wabner - Aromatherapie (2012/S.20)
Eliane Zimmermann - Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe (2011/S.9-11)
Dreyer - Der Kosmos Waldführer (2015/S.140-151/S.166-169)